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Authentischer singen dank gutem Rhythmusgefühl

So schaffst du es, deine Stimme vielseitiger und ausdrucksstärker einzusetzen

Ein Song lebt größtenteils von der Melodie, den (Akkord-)Harmonien und deiner Interpretation des Textes.
Komplett und lebendig wird er für uns aber meist erst durch seinen individuellen Rhythmus, unter anderem z.B. vom Schlagzeug.
In meinem Unterricht bekomme ich jedoch oft mit, dass sich viele Sänger/innen zunächst eher schwertun, für sich den Gesangsrhythmus reproduzierbar zu erschließen. Auch, wenn es darum geht mit dem Körper gleichmäßig im Takt zu einem Song mitzugehen, ist das oft parallel zum Singen nicht leicht. Selbst Sänger/ innen, die in ihren gesungenen Melodien bereits sehr sicher im Rhythmusgefühl sind, werden plötzlich unsicher, wenn sie versuchen, einen gleichbleibenden Körperrhythmus losgelöst vom Rhythmus der gesungenen Melodie durch einen Song durchzuhalten.
Teilweise kann das sogar eine richtige Hemmschwelle sein, die dich daran hindert, dich beim Singen in die Musik fallen lassen zu können.
Zudem ist der Rhythmus ein so essenzieller Pulsgeber für jede Art von Musik. Von Sänger/ innen wird leider auch oft unterschätzt, dass ein sehr gutes Rhythmusgefühl eine völlig neue Vielfalt für den Stimmeinsatz in Songs eröffnen kann – wenn es um das Singen in unterschiedlichen Genre geht, ist das zum Beispiel der Fall. In meinem Artikel gebe ich dir Hintergrundinformationen und Tipps, wie du dich über das Rhythmusgefühl stimmlich vielseitiger und ausdrucksstärker präsentieren kannst.

Rhythmusgefühl zeigt wie wir Musik empfinden

Da ich von der Gitarre komme, gehören Rhythmus und Takte beim Spielen einfach dazu. Ebenso beim Singen.
Doch Sänger/innen, die noch nie richtig ein Instrument gespielt haben, lernen Singen (genauso wie Sprechen) rein über ihre auditive Wahrnehmung. Heißt, wir hören etwas, z.B. eine Melodie, und machen diese so gut es geht nach. Wir imitieren, was grundlegend eine tolle Sache ist. Darüber jedoch, wie wir den gehörten Rhythmus aus dem Song auf unser Körpergefühl übertragen, machen wir uns selten Gedanken. Entweder es klappt nach dem eigenen Empfinden oder eben nicht, dann arrangiert man es so lange um, bis es einigermaßen passt. Die essenziell wichtige Komponente jedoch, und zwar, dass es in jedem Song einen fest definierten Rhythmus mit vorgegebenen Taktlängen gibt, und dass das im direkten Bezug auf unseren gesungenen Text hat, hat man über diesen Weg natürlich so gar nicht im Blick. Eine Ebene die leider sehr vielen Sänger/ innen (ohne Instrument) fehlt. Menschen, die einen Song bis auf sein rhythmisches Fundament durchdringen können, erkennen auch bei anderen sehr schnell, ob jemand Melodien nur gut nach Gehör nach singen kann, oder ob das jemand am Werk ist, der Musik wirklich gut (rhythmisch) interpretieren kann und somit versteht. Einfach nur eine spannend klingende Stimme zu haben, macht eben noch lange keine/n gute/n Sänger/in aus dir. Das stimmliche Handwerk besteht darin, diese Stimme auch bewusst einsetzen und in einem Song angemessen und genrespezifisch umsetzen können.

Rhythmus auf der Bühne

Unter SängerInnen oft unterschätzt: Takt-, Rhythmus- und Körpergefühl

Wie schon angedeutet, singen können heißt nicht nur Melodien rhythmisch korrekt nach Gehör wieder geben zu können, sondern auch den Körper/ das Körpergefühl entsprechend mitzunehmen. Mal angenommen du schaust dir mehrere Musikvideos (Live-Videos) von genretypischen Sänger/ innen OHNE Ton an. Du könntest unter Garantie einzig anhand ihrer Bewegungen zuordnen, wer aus dem Bereich Rock kommt, wer im Soul zu Hause ist und wer eher der Funk-Ecke zuzuordnen. Mach das ruhig mal! Das ist eine wirklich tolle Übung auch für dich selbst. Nimm einfach mal deine Performance zu einem Song, an dem du gerade arbeitest, auf Video auf und schaue es dir ebenfalls ohne Ton an. Das ist, sofern man nicht gewohnt ist sich selbst auf Video zu sehen, anfangs sehr ungewohnt, es wird aber oft von Mal zu Mal besser und weniger „seltsam“. 😉 Wie schaut es aus? Passt für dich deine Körperrhythmik zum Song-Genre?

Ganz nüchtern betrachtet bedeutet Takt [lat./ tactus] ‚Berührung‘ und besagt nichts anderes, als dass ein Ton (eine Silbe, ein Wort, etc.) eine feste Zählzeit innerhalb eines Taktes „berührt“. Das kann, z.B. immer auf jede viertel Note innerhalb eines 4/4 Takts sein.

Beispiel 4 4tel Takt

So wie im Beispiel wäre es ganz präzise „on point“! Jedoch nicht das mathematisch-fundierte, rhythmische System alleine gibt eine Aussage in einen Song, sondern vielmehr kommt es darauf an, dass wir als Sänger/ in mit unserem Gefühl für Takt & Rhythmus den Songtext passend dazu interpretieren.

Ein klarer Rhythmus sagt mehr als tausend Worte

Was ich damit genau meine, zeige ich dir am besten anhand dieses Beispiels. Hier werden nämlich zwei rhythmisch völlig unterschiedliche Interpretationen  in der Gesangsmelodie gezeigt, da Ed Sheeran und Beyoncé in verschiedenen Genre zu Hause sind.

Anders als im Beispiel oben handelt es sich in diesem Song um einen 6/8 Takt. Man zählt ihn also 1 2 3 4 5 6, 1 2 3 4 5 6, etc…. Ed Sheeran der als Singer-Songwriter mit einem Pop/ Folk-Einschlag den Song interpretiert, ist mit seinen gesungenen Passagen sehr auf den Zählzeiten des Taktes. Also eher „on point“. Beyoncé hingegen (zu hören ab Min. 1:40 im Video), und die deutlich aus der Soul-Richtung kommt, „schwimmt“ mit ihren Lyrics eher um diese Zählzeiten herum. Beim konsequenten mittippen zum Song wirst du das sicher feststellen. Probiere doch beide genretypischen Singweisen mal für dich aus. Wichtig, vergiss, das mittippen auf Metronom dabei nicht, damit du immer eine feste Referenz im Ohr hast, worauf oder wogegen du singst.

Über diese Herangehensweise kannst du mit deinem Gesang den Einschlag mehr in Richtung des einen (z.B. Pop, Rock) oder des anderen Genre (z.B. Soul) machen. Aber auch, wenn es um emotionale Interpretation geht, kann dir das Spielen mit dem Rhythmus sehr weiter helfen. Geht es dir um eine eindringliche, präzise Aussage wie Wut, Aggression oder Verzweiflung, unterstreichst du diese Wirkung am besten, indem du direkt „on point“ singst. Geht es dir darum im Song  Entspannung oder Unsicherheit zu transportieren, kannst du das eher durch ein leichtes „schwimmen“ oder zögern um den Rhythmus verdeutlichen.
Da deine Stimme ein sehr persönliches, fast schon intimes Instrument ist, wirkst du somit auf dein Publikum noch authentischer, wenn du ihnen deinen Song nicht nur in einer Melodie, sondern auch in DEINEM gefühlten Groove erzählst!

Das macht dich als Sänger/in auf der Bühne nicht nur authentischer, sondern auch stimmlich vielseitiger, findest du nicht?